Die Kurzbewertung für den Oldtimer
Im Volksmund auch Kurzgutachten genannt, stellt die Kurzbewertung des Oldtimers kein Gutachten im rechtlichen Sinne dar. Sie dient per Definition lediglich als Wert- und Zustandsermittlung im Rahmen des Versicherungsvertrages zwischen dem Oldtimerbesitzer und seiner Oldtimerversicherung, sofern die Versicherung diese Art der Wert- und Zustandsermittlung akzeptiert oder selbst vorschlägt.
Allerdings kann der Auftraggeber der Kurzbewertung mit dem vom Sachverständigen gekauften Produkt auf Grund seines Nutzungsrechts auch andere Ziele verfolgen.
So findet man auf Messen, Treffen und Ausstellungen regelmäßig zum Verkauf angebotene Fahrzeuge mit offen am Fahrzeug ausgelegten Kurzbewertungen. Regelmäßig werden diese Fahrzeuge zu einem Preis angeboten, der unter der Wertermittlung laut dieser Kurzbewertung liegt.
Ein Schelm, der sich dabei Böses denkt …
Aber wie kann das sein?
Der Fahrzeughalter ist ein Wohltäter.
Der Fahrzeughalter braucht schnell Geld.
Der Wert laut Kurzbewertung entspricht nicht dem aktuellen Marktwert.
Über die ersten beiden Punkte will ich hier nicht spekulieren.
Aber wie kann es sein, dass der in der Kurzbewertung ausgewiesene Wert nicht dem aktuellen Marktwert entspricht?
Bei einigen Fahrzeugtypen schwanken die Marktwerte saisonal, etwa bei Motorrädern und Cabrios.
Marktwerte ändern sich. Nach einiger Zeit sind die Kurzbewertungen dann nicht mehr aktuell, obwohl sie bei der Erstellung einen marktgerechten Wert ausgewiesen haben.
Auch Fahrzeuge können sich verändern. Nachfolgend nur einige einflussreiche Faktoren:
Durch nicht praxisgerechte Lagerung des Fahrzeugs können Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen sowie mechanische Beanspruchungen zu Schäden führen, wie etwa Korrosion, Elektrikproblemen, Schimmelbildung, Versprödung von Gummiteilen, etc. Bei Fahrzeugen mit geringer Laufleistung können sogenannte Standschäden auftreten. Diese bemerkt man häufig erst während der späteren Nutzung. Bei einigen Fahrzeuge wurden schon beim Blick auf die DOT-Nummer der Bereifung 4-stellige Kosten nachvollziehbar.
Auch durch die Nutzung eines Fahrzeugs kommt es zu Verschleiß. Erhöhte Laufleistung, Steinschlag, Lackschäden sind da noch selbsterklärend. Unüblich Motorgeräusche, Schaltschwierigkeiten am Getriebe, schlechter Geradeauslauf, milchige Ecken der Frontscheibe muss man erst einmal erkennen. Gerade bei sportlich bewegten Fahrzeugen kann es auch zu einem Ausrutscher kommen. Wie dieser dann repariert wird ist in Kombination mit dem erlittenen Schaden stark Wert beeinflussend.
Gelegentlich werden Fahrzeuge auch individuell modifiziert. Diese Veränderungen des Fahrzeugs können dem Besitzer gefallen haben, müssen aber nicht unbedingt die Strömungen des Marktes widerspiegeln.
Letztlich kann auch der in der Kurzbewertung ausgewiesene Wert auch schon zum Zeitpunkt der Erstellung der Kurzbewertung nicht dem damaligen Marktwert entsprochen haben. Dies kann unterschiedliche Gründe haben:
Wir erinnern uns, dass Kurzbewertungen zum Zwecke der Fahrzeugeinstufung in eine Oldtimerversicherung erstellt werden. Wenn nun die vom Fahrzeugbesitzer ausgewählte Versicherung als Haftungsobergrenze den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs per Kaskovertrag versichert, so hat der Sachverständige auch den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auftragsgemäß ermittelt. Ein privater Verkäufer wird sein Fahrzeug zum Marktwert zum Verkauf anbieten. Zwischen Markt- und Wiederbeschaffungswert können je nach absolutem Fahrzeugwert etliche tausend Euro Differenz liegen.
Die Kurzbewertung beruht auf einer kurzen Durchsicht durch den Sachverständigen auf grobe Mängel wie etwa Motorgeräusche, Unfall- oder Hagelschäden, Rost oder Wasserschäden. Eine Besichtigung der Fahrzeugunterseite sowie eine Probefahrt gehören nicht zum Prüfumfang.
Somit können bei der Ermittlung des Marktwertes durch den Sachverständigen preislich relevante Faktoren nicht berücksichtigt worden sein. Allein aus diesem Grund sollten Oldtimerkäufer sich nicht auf vom Verkäufer vorgelegte Kurzbewertungen allein verlassen. Sie können lediglich als erster Anknüpfungspunkt bei der Auswahl der zu besichtigenden Fahrzeuge diesen.Ausgelöst durch die Beliebtheit von Oldtimern tummeln sich auf dem freien Markt auch Sachverständige, die sich zwar selbst als Oldtimerexperten bezeichnen, aber eigentlich nur gerne an der Erstellung von Oldtimergutachten verdienen möchten.
Ohne lange Erfahrung, viele besuchte Fachseminare und -veranstaltungen, und ein hilfsbereites und kompetentes Expertenteam im Rücken kann ein Sachverständiger vielleicht noch einen frontgetriebenen Ford Escort oder ein Golf Cabrio sachgerecht bewerten, wird aber bei Fahrzeugen wie beispielsweise einem Porsche 356 zu Fehleinschätzungen kommen. Hier wurden mir schon Gutachten zur Prüfung vorgelegt, die reparierte Durchrostungen mit Spachtelreparatur an der Kotflügelhinterkante diagnostizierten. Tatsächlich wurden damals im Werk die Kotflügel an jedem Fahrzeug zur Anpassung bearbeitet und anschließend verzinnt. Dieser „aufgezinnte“ Bereich ist an vielen Fahrzeugen heute noch vorhanden. Durch eine simple Differenzmessung mittels Schichtdicken-Messgerät und etwas Sachverstand wäre diese wertverfälschende Fehleinschätzung nicht passiert.
Dass ein Expertenteam im Rücken hilfreich ist, habe ich im Rahmen einer Begutachtung eines BMW 507 von 1957 erlebt.
Nach Auftragserteilung habe ich den Chef von Classic-Data kontaktiert, der mir binnen 24 Stunden ein Buch, das sich ausschließlich mit diesem Fahrzeugtyp beschäftigt, zur Verfügung stellte. Gut vorbereitet, konnte ich die Besichtigung dieses Fahrzeugs problemlos durchführen.Letztlich geht es vielen Menschen nur um das liebe Geld.
Es soll Oldtimerbesitzer geben, die wünschen für ihren Oldtimer eine möglichst hohe Bewertung. Diese Menschen finden möglicherweise einen Gutachter, der ihnen die Wunschzahl in das Gutachten schreibt.
Mehr möchte ich dazu nicht sagen …Es gibt in der Tat Oldtimerbesitzer, die das Beibringen einer Bewertung für ihren Oldtimer zur Versicherungseinschätzung für ein notwendiges Übel halten.
In der für sie logischen Konsequenz möchten sie so wenig Geld wie möglich für dieses lästige Übel ausgeben.
Möglicherweise treffen diese Oldtimerbesitzer bei der Suche nach dem billigsten Gutachten dann auf Gutachter, die eine dem Preis adäquate Leistung abliefern.
Ganz im Gegenteil ist die der Versicherung eingereichte Bewertung die Grundlage für eine angemessene Entschädigung im Versicherungsfall und ist somit sehr wichtig für den Fahrzeughalter.
Merke:
Wenn Sie einen Oldtimer kaufen wollen, so vertrauen Sie nicht allein auf eine vorgelegte Kurzbewertung.
Überprüfen Sie alle in der Kurzbewertung beschriebenen Fahrzeugdetails.
Lassen Sie das Fahrzeug zusätzlich von einem unabhängigen Experten untersuchen. Der vom Verkäufer vorgeschlagene Gutachter ist häufig keine gute Wahl.
Lassen Sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs nach Kenntnis aller Fakten ermitteln. Falls Sie diese Wertermittlung nicht selbst vornehmen können, so vertrauen Sie dabei auf Experten wie etwa Classic-Data bzw. Classic-Data zertifizierte Sachverständige.
Machen Sie sich Gedanken über die Lagerung Ihres Oldtimers um den Wert zu erhalten.
Beispiel:
Der Besitzer einiger McDonalds-Restaurants beauftragte mich mit der Bewertung seiner Corvette C1 von 1957.
Zum Termin im Januar fand ich das Fahrzeug in einer hochwertigen Doppelgarage neben seinem Bürogebäude. Neben der Corvette standen einige Motorroller, mit denen seine Mitarbeiter täglich zur Arbeit erschienen.
Dieses hochpreisige Fahrzeug sollte also täglich seine Dosis Feuchtigkeit in Form von Regen und Schneematsch bekommen. Keine gute Wahl. Auf meinen Rat kam dieses hochpreisige Abschreibungsobjekt dann in einen PermaBag.
Wenn Ihre Versicherung Sie auffordert, zur Versicherungseinstufung eine Kurzbewertung (auch häufig als Kurzgutachten bezeichnet) vorzulegen, so berücksichtigen Sie folgendes:
Wenn Sie einen Low-Budget-Oldtimer lediglich günstig in einer Oldtimerversicherung Haftpflicht versichern wollen, so suchen Sie den günstigsten Gutachter für eine Kurzbewertung und freuen sich über den niedrigsten attestierten Marktwert, der gerade noch von Ihrer Versicherung als Eintrittskarte in den Oldtimertarif akzeptiert wird. Das sorgt für eine günstige Versicherungsprämie …
Sobald Sie auch eine Kaskoversicherung (Teil- oder Vollkasko) abschließen wollen, bedenken Sie, dass die vorgelegte Kurzbewertung als Beweissicherung für den Fall, dass ein Schaden eintritt, dient. Der in der Kurzbewertung ausgewiesene Fahrzeugwert ist die Obergrenze (ggf. zzgl. einer Vorsorgepauschale) Ihrer Versicherungserstattungsleistung für den Fall eines kapitalen Fahrzeugschadens (Diebstahl, Fahrzeugbrand, Unfallereignis, etc.).
Eine handwerklich schlecht ausgeführte Kurzbewertung mit knapper Fotodokumentation wird Ihre Oldtimerversicherung möglicherweise zur Einstufung in den Oldtimertarif akzeptieren. Im Schadenfall wird es allerdings zu einer Überprüfung kommen.
Der in der Kurzbewertung ausgewiesene Marktwert stellt dann lediglich die Obergrenze der Erstattung dar.
Eine schlechte Dokumentation führt dann regelmäßig zur Überprüfung des Gutachtens und evtl. zu Abzügen bei der Erstattungsleistung.
Bedenken Sie: auch Versicherungen sind gewinnorientierte Unternehmen.Für Fahrzeuge, die gute Merkmale wie Zustand, Ausstattung, oder sonstige Wert erhöhende Parameter haben, empfehle ich eine erweiterte Kurzbewertung. Hierbei werden diese guten Merkmale textlich und fotografisch dokumentiert, und im Wert berücksichtigt. Darüber hinaus können Sie zusätzliche Untersuchungen zubuchen, wie etwa eine Probefahrt, eine Dokumentation der Fahrzeugunterseite mittels Kamerasystems auch bei Ihnen (es wird also keine Hebebühne zwingend benötigt), die Messung und Dokumentation der Lackschichtdicken, etc.
So haben Sie im Schadenfall gute Argumente um Abzüge bei der Erstattung zu vermeiden.Häufig höre ich das Argument, dass nichts passieren kann, weil das Fahrzeug in einer sicheren Garage steht, und selten gefahren wird.
Nun, ich habe auch schon Brandschäden begutachtet, bei denen die Garage mit abgebrannt ist (siehe nachfolgendes Foto eines Mercedes W123). Mal war es Brandstiftung, mal ein Defekt der Elektroanlage (Kabelbruch kommt bei Oldtimer vor), ein Porsche 944 fing beispielsweise während der Fahrt wegen einer aufgequollenen Dichtung im Motorraum an zu brennen.Letztlich muss man sich fragen, warum jemand überhaupt für ein Fahrzeug eine Kaskoversicherung abschließt, wenn es doch seiner Meinung nach gar nicht zu einem Schaden kommen kann.
Sparen Sie also nicht am falschen Fleck. Ein Schaden an einem Oldtimer ist in der Regel wesentlich teurer als die Kosten für eine handwerklich gute Fahrzeugbewertung mit gerichtsfester Dokumentation.Und bedenken Sie:
Nach einem Kaskoschaden war ein Porsche eigentlich reparaturfähig, aber die Reparaturkosten lagen über dem, dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden, Fahrzeugwert laut einer mehrere Jahre alten Fahrzeugbewertung in den Versicherungsunterlagen, die der Fahrzeughalter nie hat erneuern lassen.
Der Versicherungssachbearbeiter sagte dazu lediglich wörtlich:
„Das Beibringen einer aktuellen und zeitgerechten Fahrzeugbewertung ist eine Bringschuld!“
Die Abrechnung des Kaskoschadens als Totalschaden kostete den Fahrzeughalter eine 5-stellige Summe im Vergleich zu den tatsächlichen Reparaturkosten, die er aufbringen musste.
Fazit: Wenn Sie Ihr Geld sicher in einem Oldtimer anlegen möchten, so
Wählen Sie das richtige Fahrzeug aus.
Wählen Sie die richtige Versicherung und den zu Ihrem Fahrzeug passenden Versicherungsvertrag aus.
Lassen Sie Zustand und Wert Ihres Oldtimers von einem ausgewiesenen Oldtimer-Sachverständigen (Classic-Data-Gutachter, etc.) ermitteln und dokumentieren, und legen diese Bewertung Ihrer Oldtimerversicherung als Vertragsbestandteil vor.
Halten Sie Ihren Versicherungsvertrag aktuell, indem Sie:
- Veränderungen von Fahrzeug und Risiko Ihrer Versicherung mitteilen.
- die Fahrzeugbewertung vom Sachverständigen aktualisieren lassen, wenn
sich der Zustand Ihres Fahrzeugs ändert, z.B. durch
durchgeführte Reparaturen bzw. Restaurationen,
Sonderausstattungen,
deutlichen Verschleiß (Laufleistung, Beschädigung, etc.),
oder sich der Wert Ihres Fahrzeugtyps ändert, z.B. durch
- allgemeine Veränderungen des Oldtimermarktes
- veränderte Marktgängigkeit Ihres Fahrzeugtyps
Allgemein wird in den Medien viel spekuliert, wie lang ein Oldtimergutachten seine Gültigkeit behält. Die kolportierten Aussagen gehen da von
„ist nur ein Jahr gültig“
bis
„ist für immer gültig“.
Hierzu meine persönliche Meinung:
Sie sind ein mündiger Bürger und treffen Ihre Entscheidung eigenständig. Jede Entscheidung hat gute wie schlechte Auswirkungen. Die richtige Entscheidung, wann Sie eine neue Bewertung für Ihren Oldtimer erstellen lassen, treffen Sie folgendermaßen:
Beobachten Sie den Markt für Oldtimer und Ihren Fahrzeugtyp. Seien Sie hierbei objektiv!
Schauen Sie Ihr Fahrzeug kritisch an. Wenn Sie es regelmäßig warten (lassen) und es keine einschneidenden Ereignisse (Unfall, Ausrutscher, schlechte Lagerung im Winter) gegeben hat, so wird sich der Zustand nicht wesentlich verschlechtert haben.
Bedenken Sie Faktoren wie Laufleistung, DOT-Nummer der Bereifung, etc.
Ziehen Sie durchgeführte Reparaturen und Restaurationen mit in Ihre Entscheidung ein.
Dinge wie Ölwechsel, neue Reifen, und Verschleißteile sind lediglich werterhaltend.
Eine gut gemachte Lackierung oder gar ein Austauschmotor sind werterhöhend.
Wenn Sie dann denken, dass eine neue Bewertung in Betracht kommt, so fragen Sie den Oldtimer-Sachverständigen Ihres Vertrauens. Er sollte Ihnen zuhören und Sie objektiv beraten.
Das ist meine Meinung.
Brandschaden eines Mercedes W123 in abgeschlossener Garage:
Diese Kurzbewertung eines VW Käfers dient der Veranschaulichung.